
- 1 5 Einzelhändler, die zu einem Experience Business geworden sind
5 Einzelhändler, die zu einem Experience Business geworden sind
Früher sah Einkaufen so aus: Wenn Verbraucher einen neuen Herd brauchten, gingen sie in den Elektroladen an der Ecke. Wenn ihre Kinder aus der Kleidung herausgewachsen waren, gingen sie einfach ins Kaufhaus. Kein Brot oder keine Milch mehr im Haus? Der Weg führte direkt zum Lebensmittelladen. Und das waren die einzig verfügbaren, bequemen Optionen.
Einige Jahrzehnte später hat sich das Bild gewandelt: Jetzt haben Verbraucher weitaus mehr Wahlmöglichkeiten in puncto Warensortiment, Kaufmethode und Anbieter. Ein Herd kann bei Saturn sowohl online als auch im Laden erworben werden. Ebenso bei mediamarkt.de, expert.de und Amazon. Die Anbieterliste ist endlos. Darüber hinaus sind moderne Verbraucher weitaus weniger preisbewusst als vorherige Generationen, was es Marken noch schwieriger macht, sich im Wettbewerb zu behaupten.
Nach Ansicht von Galia Reichenstein, General Manager von Taptica, einem US-Unternehmen für mobile Werbetechnologie, hat der Einzelhandel „einen Krisenpunkt erreicht, und Läden schließen reihenweise“. US-Einzelhändler wie JCPenny, GameStop und Bebe waren alle mit Ladenschließungen in den Schlagzeilen.
„Das Kundenerlebnis ist ausschlagend für eine Umkehr dieses Trends“, so Reichenstein gegenüber CMO.com. „Kunden möchten sofort einkaufen, zu ihren eigenen Bedingungen und auf die für sie bequemste Weise. Über das Kundenerlebnis haben Einzelhändler die Möglichkeit, Kundenbeziehungen zu vertiefen und auszuweiten.“
Michael Klein, Director of Industry Strategy and Marketing für die Bereiche Einzelhandel, Tourismus und Verbrauchsgüter bei Adobe (der Muttergesellschaft von CMO.com), ist ebenfalls der Ansicht, dass von Einzelhändlern weitaus mehr gefordert ist als der Verkauf von Produkten.
„Aus Sicht des Einzelhändlers ist die Möglichkeit, ein nahtloses oder reibungsloseres Erlebnis zu garantieren, für den Wert des Kundenerlebnisses ausschlaggebend“, meinte er.
Einzelhändler, die Kunden „fesseln und begeistern“ und gleichzeitig das Einkaufserlebnis vereinfachen oder verkürzen können, sind nach Ansicht von Klein die wirklichen Gewinner. „Wenn ihr euer Geschäftskonzept und die Interaktion mit euren Kunden überdenkt, könnt ihr Kunden mehr als nur Produkte bieten“, fügte er hinzu. „Ihr sorgt für Erlebnisse, die an den Lebensstil von Kunden angepasst sind und deren Leben einfacher machen.“
Jill Standish, Head of Retail Practice bei Accenture, ist der Ansicht, dass Einzelhändler, die Kundenerlebnisse zur tragenden Säule ihres Geschäfts machen wollen, zuerst die Customer Journey definieren und sich über die Art und Weise im Klaren sein müssen, in der Kunden mit der Marke interagieren, sowohl online als auch im Verkaufsraum.
„Wenn ihr euch Kundenerlebnisse auf die Fahne schreibt, müsst ihr sicherstellen, dass diese unvergesslich und wiederholbar sind und mit anderen geteilt werden können“, äußerte sie gegenüber CMO.com. „Viele Marken versuchen, online und in Verkaufsräumen neue Wege zu gehen.“
Wir werden uns fünf davon genauer ansehen.
Sephora
Nach Meinung von Standish ist es Sephora gelungen, Einkaufen zu einem Erlebnis zu machen, egal ob ein Kunde in einen Laden kommt oder online auf Sephora.com einkauft. Ein Beispiel ist „The Beauty Workshop“ von Sephora, der sich als Anlaufstelle für Make-up- und Kosmetik-Tipps als sehr beliebt erwiesen hat. Kunden, die lieber online lernen, können sich Videos mit entsprechenden Tipps ansehen und sich von der Beauty Talk-Community beraten lassen. Käufer, die gerne in einen Laden gehen, profitieren von dem wertvollen Erlebnis, sich von Expertenhand schminken zu lassen. Außerdem bietet der Einzelhändler auch Make-up- und Kosmetik-Kurse in den Läden an, die Themen wie „Anti-Aging-Hautpflege“, „Make-up für Teenager“ und „Make-up ohne Make-up“ abdecken.
„Sephora hat unter Beweis gestellt, dass der Laden als Schulungszentrum fungieren kann und Einzelhändlern mit physischen Standorten die Möglichkeit gibt, sich wirklich von reinen Online-Einzelhändlern abzusetzen“, so Standish.
Sephoras Abo-Box Play! ist ein weiteres Beispiel für das Engagement des Einzelhändlers in puncto Kundenerlebnis. Mit dem Abonnement erhalten Verbraucher jeden Monat per Post eine Box mit sorgfältig ausgewählten Luxusproben. Sie werden dazu aufgefordert, nach Erhalt der Box Sephora online Feedback zu geben, was ihnen gefallen oder nicht gefallen hat, damit dies bei der nächsten Box entsprechend berücksichtigt wird.
Lululemon
Lululemon, Einzelhändler für Sport- und Freizeitbekleidung, ist bestrebt, die Herzen von Verbrauchern zu gewinnen und sich gleichzeitig Klarheit über deren Entscheidungsverhalten zu verschaffen. Im Rahmen dieser Initiative wurden Läden in Studios umfunktioniert, in denen Käufer an von Yogalehrern vor Ort abgehaltenen Yogastunden teilnehmen können. Auf der Website ist ein Abschnitt sogar der „Inspiration“ gewidmet und dient als Verzeichnis für die in nahegelegenen Läden verfügbaren Erlebnisse.
„Das Ganze ist fast wie ein Lifestyle-Kult, bei dem die Marke nicht nur ein Kleidungsstück ist, sondern zu einem echten Erlebnis wird“, meint Standish.
Lululemon kümmert sich auch um Käufer mit Mobilgeräten. Bereits 2014 lief ein RFID-Pilotprojekt in Verkaufsräumen, bei dem Kunden beim Einkauf Zugriff auf Online-Bestände erhielten. Euch gefallen diese Leggings, aber eure Größe ist im Laden nicht verfügbar? Kein Problem mit RFID, da Käufer im Laden schnell und problemlos Artikel direkt online erwerben können.
Und auch hier punktet das Erlebnis: Der im Flatiron District von New York gelegene Laden von Lululemon wartet mit „The Concierge“ auf, einem Service, der Kunden Kurse an Veranstaltungsorten in unmittelbarer Nähe empfiehlt, die sogar sofort gebucht werden können.
Kohl’s
Letztes Jahr kündigte Kohl's an, die Digitalisierung voranzutreiben. Der Schwerpunkt sollte hierbei auf Analysen, Daten und Erkenntnissen rund um den Kunden liegen. Diese Daten werden jetzt genutzt, um bessere Entscheidungen bei Merchandising, Zuteilung und Standortwahl für Läden zu treffen. Das Unternehmen gab weiterhin an, dass bis Ende des Jahres 85 % des Sortiments einzigartig sein sollen, also jeder Laden mit einem anderen Sortiment aufwartet.
Auch die Bestellabwicklung hat der Einzelhändler weitgehend optimiert und damit auch das Kundenerlebnis beim Online-Kauf, der Abholung im Laden und der Zusendung aus dem Laden. Außerdem wurde Technologie für Verkaufsmitarbeiter implementiert, die Kunden dabei helfen soll, die Verweilzeit im Laden zu verkürzen. Nach Angabe von Kohl’s macht sich die Investition bezahlt: Letztes Jahr wurden über 39 % aller Bestellungen über die drei Optionen abgewickelt.
„Das Kundenerlebnis ist immer ein Grundstein unseres Geschäfts gewesen und wird dies auch bleiben“, heißt es auf der Website des Unternehmens. „Wir nutzen weiterhin Technologie mit dem Ziel, den Einkauf bei Kohl's zu einem einfachen, ansprechenden Erlebnis zu machen, das unseren Kunden wirklich Freude macht.“
Letztes Jahr hat Kohl's die mobile Zahlungsanwendung „Kohl's Pay“ exklusiv für Kreditkunden eingeführt. Benutzer können mit der Mobile App direkt im Laden einkaufen, scannen, sparen und bezahlen.
Rebecca Minkoff
Rebecca Minkoff hat 2014 die ersten Läden in Manhattan und San Francisco eröffnet, die als Testumgebungen für „Retail 3.0“ fungieren sollten. Bei diesem von CEO Uri Minkoff so benannten Konzept ist das Unternehmen bestrebt, viele der Vorteile des Online-Kauferlebnisses auch in physischen Verkaufsräumen zu realisieren.
In Zusammenarbeit mit eBay sind beide Standorte mit großen interaktiven Bildschirmen am Eingang ausgestattet, auf denen Kunden nach Produkten suchen, Getränke für die Dauer des Einkaufs bestellen und Artikel aussuchen können, die sie dann womöglich mithilfe der Bildschirmempfehlungen anprobieren.
Mit iPads ausgestattete Verkaufsmitarbeiter richten die Umkleidekabinen ein, in denen Artikel mit RFID-Tags auf einem interaktiven Spiegel angezeigt werden. Falls Kunden eine andere Größe oder einen passenden empfohlenen Artikel wünschen, können sie diese über den Spiegel anfordern. Kunden mit der Mobile App können von der Umkleidekabine aus bezahlen und eine Liste mit anprobierten Artikeln erstellen, die sie eventuell später kaufen möchten.
„Jede Technologie trägt zu einem Kauf bei“, so Minkoff gegenüber CMO.com. „Technologie kann sich an die Anproben in der Umkleidekabine erinnern. Wenn wir wissen, dass jemand die Farben Rosa und Schwarz mag und Größe 34 trägt, können wir eine Kabine mit entsprechenden Optionen einrichten. Und niemand muss halb angezogen die Kabine verlassen, um einen Verkaufsmitarbeiter zu finden.“
Apple
Der Verkaufsraum-Erfolg von Apple gründet sich auf die Unternehmenskultur. „Herz und Seele des Apple Store sind die Angestellten, das Einstellungsverfahren genauso wie die Schulungen, die sie absolvieren, und ihre Interaktion mit den Kunden der Marke“, heißt es in einem Forbes-Artikel, der folgendes Playbook vorstellte:
A: Approach = Kunden herzlich begrüßen.
P: Probe = sich höflich nach den Kundenbedürfnissen erkundigen.
P: Present = eine Lösung vorschlagen, die der Kunde sofort mit nach Hause nehmen kann.
L: Listen = sich Probleme und Bedenken anhören und diese ausräumen.
E: End = die Interaktion mit einer netten Verabschiedung und der Einladung zu einem erneuten Besuch beenden.
„Jedes Mal, wenn ich in einen Laden von Apple gehe, bin ich wieder davon überrascht, wie sehr das konventionelle Ladenerlebnis sich mit dem Online-Erlebnis deckt“, so David Van Epps, Global Chief Product Officer bei Mood Media, gegenüber CMO.com. „Die Abläufe im Laden sind nahtlos und flexibel und können problemlos an Verbraucherbedürfnisse angepasst werden.“
Außerdem sind Transaktionen im Verkaufsraum nicht auf Kassen beschränkt. Sie können überall stattfinden, sagt Van Epps, sogar am ausgestellten Produkt.
„Die Läden von Apple bestimmen das Online-Erlebnis, und nicht anders herum“, erläuterte er weiter. „Das ist es, was die Interaktion mit der Marke so nahtlos macht.“
„Eine unvergessliche, ansprechende Retail Journey ist daher keine Zukunftsvision mehr, sondern ganz einfach Teil des Geschäfts“, so Van Epps. „Ich bin schockiert von den Grenzen, an die wir täglich bei führenden Einzelhändlern stoßen, die keine ausreichende Netzwerk-Infrastruktur haben. Kreditkarten-Verarbeitung und Bestandsberichte sind nicht mehr ausreichend. Das unendliche Warenregal beginnt mit Zugriff auf das Web, und das Motto ‚großer Lagerbestand und Billigangebote‘ hat damit eine ganz neue Bedeutung gewonnen. Die besten Erlebnisse als Verbraucher hatte ich bei Einzelhändlern, die mich in meinem Bestreben, etwas zu erwerben, nicht enttäuscht haben.“
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