Vier bittere Wahrheiten, die Einzelhandelsmarken bei ihrer strategischen Planung für 2021 nach der Coronakrise berücksichtigen müssen
Online-Ausgaben beliefen sich im Mai insgesamt auf unglaubliche 82,5 Mrd. $ – ein Anstieg um 77 % im Vergleich zum Vorjahr infolge der Corona-Pandemie. Wie Digital Insights Manager Vivek Pandya von Adobe Forbes erklärt, hätte es mindestens sechs Jahre gedauert, um das Niveau des E‑Commerce vom Mai zu erreichen, wenn das Wachstum im selben Tempo wie in den vergangenen Jahren gestiegen wäre.
Da sechs Jahre digitales Wachstum in nur wenige Monate gezwängt wurden, haben Einzelhandelsmarken einige harte Lektionen über die Art ihrer Online-Geschäfte gelernt. Ermutigend ist, dass viele reagiert und sich gut angepasst haben und bereits mit Blick auf das nächste Jahr die Veränderungen betrachten, die sie vornehmen können, um der gestiegenen Nachfrage, den sich ändernden Verbrauchereinstellungen und ‑erwartungen sowie den Umweltbedenken des E‑Commerce-Booms 2020 gerecht zu werden.
1) Überarbeiten des Konzepts von Ladengeschäften: Ist es an der Zeit, eure High-Street-Strategie neu zu überdenken?
Es ist wenig überraschend, dass während des Höhepunkts des Lockdowns der E‑Commerce boomte und Ladengeschäfte litten. Laut GWI ist der Online-Lebensmitteleinkauf in Europa um 110 % gestiegen. Online‑Käufe mit Abholung im Geschäft stiegen gar um 208 % im Jahresvergleich.
Angesichts der Tatsache, dass in Europa Einzelhandelsgeschäfte, die nicht dem täglichen Bedarf dienen, wieder öffnen, bewerten viele Marken die strategische Rolle von Ladengeschäften neu. Microsoft hat sich beispielsweise fast völlig aus dem High-Street-Geschäft zurückgezogen. Die Flagshipstores in London, New York, Richmond und Sydney bleiben geöffnet, aber die übrigen 83 Geschäfte werden ihre Tore für immer schließen.
Interessant dabei ist, dass die Flagshipstores von Microsoft als Erlebniszentren geöffnet bleiben und nicht als Vertriebsstätten. Vielleicht deutet das schon auf die künftige Entwicklung hin.
Apple hingegen bemüht sich verstärkt darum, in seinen Ladengeschäften Erlebnisse zu schaffen (und gleichzeitig den Verkauf anzukurbeln), wobei Gerüchte kursieren, dass Kunden schon bald Einzeltermine mit Spezialisten in Apple-Verkaufsstellen buchen können.
Sei es durch einen verstärkten Fokus auf die Schaffung von Erlebnisräumen, Online-Bestellung und Abholung im Geschäft oder geplante Abholzeiten – es ist von entscheidender Bedeutung, dass Einzelhandelsmarken versuchen, ein Gleichgewicht zwischen ihren Erlebnissen im Geschäft und digitalen Erlebnissen zu schaffen. Im Idealfall verbinden sie beide miteinander, um rundum reibungslose Transaktionen zu ermöglichen.
2) Die digitale Transformation ist schneller geworden, aber die Erwartungen haben sich auch geändert.
Für viele Konsumenten war der Lockdown ihr erster Schritt zum Online-Shopping. Und während sich der E‑Commerce seit Jahren weiterentwickelt, richtet er sich vor allem an serielle Online‑Käufer, die sich mit einer profunden Kenntnis darüber, wie Suche, Einkauf und Lieferprozesse funktionieren, nicht durch Pannen und gelegentliche Komplexität einschüchtern lassen.
Alle Marken sollten über gesunde und robuste Analysefähigkeiten verfügen. Doch jetzt wäre – auch im Hinblick auf Internet-Erstkäufer – ein günstiger Zeitpunkt, die Art und Weise, wie diese Daten abgefragt werden, neu zu bewerten. So erleichtert die Verwendung von Maus-Tracking zur Erstellung von Heatmaps beispielsweise das Verständnis dafür, was in zentralen Bereichen der Website funktioniert und was nicht. Entscheidend für die Bindung von Online-Erstkäufern sowie für die Verbesserung des Benutzererlebnisses für bestehende Käufer ist das Feststellen häufiger Ausstiegs- und Abbruchpunkte.
Die Benutzerfreundlichkeit ist von zentraler Bedeutung und eure Commerce-Plattform sollte für jeden zugänglich und intuitiv zu bedienen sein, unabhängig davon, wie viel Erfahrung er oder sie mit dem Online-Shopping hat. Und trotz der erneuten Öffnung von Ladengeschäften werden viele Online-Erstkäufer in den kommenden Monaten ihre Käufe digital abwickeln. Der Lockdown hat viele Menschen dazu gezwungen, ihre Einkaufsgewohnheiten zu ändern, und diese Veränderungen werden wahrscheinlich von Dauer sein.
3) „Ich will sie, egal wie“: Kunden erwarten nach wie vor persönliche Erlebnisse.
Die Fähigkeit, ein Erlebnis zu schaffen, das sich persönlich anfühlt, war ein Hauptindikator dafür, ob sich eine Marke während des Lockdowns behaupten konnte. Schließlich bleiben Verbraucher viel eher an der Seite eines Unternehmens, das sich die Zeit nimmt, mit ihnen auf einer menschlichen, authentischen und persönlichen Ebene zu kommunizieren.
Mit Blick auf das Jahr 2021 ist es wichtig, dass Einzelhändler berücksichtigen, dass Verbraucher zwei Grundbedürfnisse haben: Sie wollen wie ein Individuum behandelt werden und sie wollen, dass die Dinge funktionieren. Was sie nicht tolerieren, sind Umfragen mit 35 Fragen, die ihr Privatleben betreffen, oder eine komplizierte Marken-Mobile-App, die keinen erkennbaren Zusatznutzen zur ursprünglichen Website bietet.
Marken, die den Wert von Daten nutzen können, um personalisierte Erlebnisse bereitzustellen, ohne dabei ihre Kunden zu belästigen, werden in den kommenden Jahren die Nase vorn haben. In diesem Zusammenhang wird künstliche Intelligenz eines der wichtigsten Tools sein. KI kann Muster erkennen, bisher verborgene Erkenntnisse liefern und Marken dabei unterstützen, ihre Daten zu nutzen, um die Art zu optimieren, wie sie Content präsentieren, Erlebnisse bereitstellen und Preise festlegen – oder Prognosen erstellen, wann der Bestand erhöht werden muss.
Schließlich bedeutete die stark erhöhte Nachfrage nach zahlreichen Gütern des täglichen Bedarfs während des Lockdowns, dass viele Marken – insbesondere Supermärkte und Online‑Händler – Bestellungen nicht ausliefern konnten und ihnen dadurch sogar Geschäft entging. Nach dem Lockdown werden Einzelhändler KI für genauere Prognosen bezüglich der Nachfrage, die Vorhersage von Bedarfsspitzen und die Verwaltung von Lagerbeständen und Auftragsabwicklungszentren in Echtzeit verwenden.
4) Ethische Richtlinien und Nachhaltigkeitsziele sind wichtiger denn je.
Da durch den Lockdown viele Einzelhandelsmarken um das Überleben kämpften, hatten kurzfristige Forderungen wie Kostensenkung und Cash Flow Management verständlicherweise oberste Priorität.
Nach der Lockerung der Beschränkungen dürfen die Einzelhändler jedoch nicht vergessen, dass sie sich zu Nachhaltigkeit verpflichtet haben und den Zweck in den Mittelpunkt ihrer Marke und des Kundenerlebnisses stellen müssen. Jetzt davon abzuweichen, wäre katastrophal für das Vertrauen der Verbraucher.
Regierungen in ganz Europa suchen bereits nach Möglichkeiten, die Umweltauswirkungen des E‑Commerce-Booms einzudämmen. Doch auch die Marken selbst sind dafür verantwortlich, weiterhin positive Veränderungen anzuregen.
Vor der Pandemie war die ethische Einstellung einer Marke eines ihrer wichtigsten Unterscheidungsmerkmale. Die Verbraucher sind heute besser denn je über die Lieferkette und ihre Umweltauswirkungen informiert, und dies hat ihre Kaufgewohnheiten und ihr Kaufverhalten grundlegend beeinflusst. So sind beispielsweise zwei Drittel der Verbraucher bereit, länger nach nachhaltigen Produkten zu suchen, während fast die Hälfte (47 %) eine Marke, die ihre persönlichen Werte verletzt, verlassen würde.
Wichtig anzumerken ist, dass Verbraucher erkennen, dass dies eine harte Zeit für viele Unternehmen war und dass es in einigen Bereichen überlebenswichtig war, an allen Ecken und Enden zu sparen. Viele sind bereit, ihre Lieblingsmarken vor allem auf lokaler Ebene zu unterstützen, wenn dies das Überleben des Unternehmens sichert. Was sie nicht tolerieren werden, ist ein Rückfall in alte Denk- und Handlungsweisen, insbesondere im Hinblick auf Nachhaltigkeit und Ethik.
Dies wird hoffentlich zu einem höheren Grad der Zusammenarbeit zwischen Ketten und lokalen Unternehmen, zu einer stärkeren Integration zwischen Marken und Marktplätzen führen, um Produkte und Dienstleistungen einem neuen Publikum zu präsentieren, sowie zu einem stärkeren Fokus durch eine integrativere, vielfältigere und umweltbewusstere Lieferkette.
Der Einzelhandel und der Handel im Allgemeinen werden nie mehr dieselben sein.
Bei vielen Marken offenbarte die gestiegene Online-Nachfrage schwerwiegende Mängel in ihrer digitalen Infrastruktur. Ermutigend ist jedoch, dass diejenigen, die bereits eine gut funktionierende digitale Arbeitsweise hatten – oder die schnell reagierten und ihre Plattform neu gestalteten, weiterentwickelten und optimierten – in der Lage waren, die während des Lockdowns spürbaren Auswirkungen abzufedern, und nun über eine robuste Infrastruktur verfügen, die ihnen auch in den kommenden Jahren gute Dienste leisten wird.
Extrem schwierig wird es für all diejenigen, die hoffen, dass die Rückkehr zur Normalität bedeutet, dass sie nicht in ein erfolgreiches Online-Geschäftsmodell investieren müssen. Dies kann von einer benutzerfreundlichen Website über eine robuste Commerce-Plattform bis hin zu qualitativ hochwertigen datengestützten Erlebnissen durch KI-gesteuerte Erkenntnisse reichen. Es ist unwahrscheinlich, dass die Anzahl der Kunden in Ladengeschäften wieder das Niveau vor der Epidemie erreichen wird, da immer mehr Verbraucher ihre neu entwickelten digitalen Einkaufsgewohnheiten beibehalten werden. Deshalb wird eine effektive digitale Präsenz entscheidend sein.
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