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HHIPP, DIWO, HiPPO: drei hilfreiche Akronyme für wirksame Design-Kritik

Feedback, Kritik, Überprüfung – diese drei Wörter können Designern regelrecht Schauer über den Rücken jagen, wecken sie doch Erinnerungen an anstrengende Meetings mit Entscheidungsträgern, die bloß ihre persönlichen Vorlieben zum Ausdruck bringen, oder mit Team-Mitgliedern, die ihre glorreiche Vision zertrampeln. Wir alle haben schon einmal Kritik erhalten, die zum falschen Zeitpunkt kam, nicht gewünscht war, auf falschen Informationen beruhte oder aus anderen Gründen nicht hilfreich war.

Aber bedenken Sie einmal Folgendes: Vielleicht haben Sie einfach noch nicht den richtigen Weg gefunden? Auch wenn manche Menschen mit Kritik an ihrer Arbeit nicht gut umgehen können, gilt es doch ein paar Dinge zu beachten, die zur Verbesserung beitragen und die Entgegennahme von Kritik sogar zu einem angenehmen Vorgang machen können.

Was Kritik ist und was nicht

Wie Adam Connor und Aaron Irizarry in ihrem hervorragenden Buch „Discussing Design“ betonen, besteht ein Teil des Problems darin, dass wir häufig Feedback und Kritik verwechseln. Feedback kann sich in einer Reaktion äußern („Ich mag kein Blau!“) oder in Form einer Anweisung erfolgen („Sie sollten hier besser Kontrollkästchen verwenden.“) Kritik ist dagegen der Prozess des Identifizierens eines bestimmten Design-Aspekts und die Bewertung dessen anhand des gewünschten Ziels („Wenn wir mehr Anmeldungen generieren wollen, sollten wir den Anmelde-Link auffälliger auf der Seite platzieren.“)

Kritik ist:

  • kritisch zu hinterfragen, ob eine Design-Entscheidung zum gewünschten Ziel führt
  • eher überlegt als ad hoc

Kritik ist nicht:

  • eine Bauchentscheidung oder spontane Reaktion, v. a. hinsichtlich persönlicher Vorlieben
  • persönlich gemeint und keine Kritik an der Person

Die gute Nachricht ist, dass Kritik eine Fähigkeit ist, die man lernen und mit zunehmender Praxis weiterentwickeln kann. Kritik ist eine Form der Kommunikation, die sich im Team gemeinsam entwickeln, strukturieren und fördern lässt.

HHIPP – Humble, Helpful, Immediate, in Person, doesn’t Personalize

Auf der Führungsebene möchten wir sicherstellen, dass die Kritik und das Feedback, das wir unseren Mitarbeitern geben, aus der richtigen Richtung kommen. Kim Scott hat hierzu ein Instrument entwickelt, das sie „schonungslose Offenheit“ nennt. Schonungslose Offenheit wird häufig eher als ein Management- oder Führungs-Tool angesehen als ein Instrument der Design-Kritik. Es dient jedoch als guter Orientierungsrahmen für die Haltung, die wir beim Aufbau einer Kritikkultur entwickeln möchten.

Schonungslose Offenheit bedeutet, dass uns die eigenen Mitarbeiter und ihre Arbeit persönlich am Herzen liegen, dass wir aber gleichzeitig in der Lage sind, sie konkret herauszufordern. Das Akronym HHIPP (das übersetzt so viel wie „demütig, hilfreich, unmittelbar, persönlich, nicht die Person an sich kritisierend“ bedeutet) drückt den Geist dieser schonungslosen Offenheit in der Praxis aus – sie ist demütig, hilfreich, unmittelbar, sie wird persönlich geäußert und kritisiert nicht die Person an sich.

In der Design-Kritik ist es wichtig, Kritik aus den richtigen Gründen zu äußern und zu empfangen. Die folgende Tabelle stellt dar, was HHIPP für den Kritikgeber einerseits und den Kritikempfänger andererseits bedeutet.

DIWO – Do It With Others

Design ist ein Mannschaftssport, und dies gilt ebenso für Kritik. Kritik bietet uns die Gelegenheit, sich den unterschiedlichsten Sichtweisen und Ideen gegenüber zu öffnen. Das Team sorgt als Ganzes dafür, dass sich das Design den Zielen immer weiter annähert. Mit den richtigen Grundregeln und einer Kultur der Kritik kann man in einer Kritikrunde verschiedene Perspektiven an einem Tisch zusammenbringen, etwa Projekt-Manager, Entwickler, visueller Designer und Marketer. Dabei eignen sich kleinere Runden besser für Teams, die gerade lernen, Kritik so zu äußern, dass sie an den Design-Zielen ausgerichtet ist. Als Faustregel für die Größe einer solchen Runde eignet sich die Zwei-Pizzen-Regel (die Jeff Bezos zugeschrieben wird): Die Teilnehmer der Kritikrunde sollten mit zwei Pizzen satt zu kriegen sein, also fünf bis acht Mitarbeiter.

Unabhängig von der Größe der Runde sollten Sie einen Moderator festlegen, der durch die Sitzung führt und die Teilnehmer immer wieder darauf hinweist, sich auf das Kritikgeben zu konzentrieren, anstatt zu reagieren oder konkrete Lösungsvorschläge zu machen. Der Moderator kann auch als Protokollführer fungieren, um die genannten Kritikpunkte für den Designer, an den die Kritik gerichtet ist, festzuhalten.

Interessanterweise können Menschen, die im Kritikgeben erfahren sind, umschalten und einen Schritt zurücktreten, um ihre eigene Arbeit zu kritisieren. Dazu braucht es ein großes Maß an Reife, kritischem Denken und Analysefähigkeit, aber es kann funktionieren! Für unsere Ziele als Designer lohnt es sich, das DIWO-Prinzip (das sinngemäß übersetzt „Gemeinsam ist immer besser“ bedeutet) zu berücksichtigen, denn so bauen Sie Akzeptanz und Vertrauen im Team auf und erhalten gleichzeitig Einblick in neue Sichtweisen, auf die Sie allein nicht gekommen wären.

HiPPO – Highest Paid Person’s Opinion

Entscheidend in den Kritikrunden ist, dass alle Sichtweisen gleichwertig behandelt werden und dass alle Teilnehmer kritisch denken und dabei das Design und seine Ziele im Blick behalten. Es wäre wünschenswert, dass die Kultur in Ihrem Unternehmen dieses Vorgehen bereits fördert – unabhängig von Titel, Rolle oder Gehaltsstufe. Dies ist jedoch nicht immer der Fall, und deshalb sollte unbedingt der potenzielle Effekt von HiPPO (das sinngemäß übersetzt „Meinung des Höchstrangigen“ bedeutet) berücksichtigt werden.

Je nach Unternehmenskultur und persönlichen Beziehungen kann allein schon die Anwesenheit einer Führungsperson die Dynamik verändern und andere Teilnehmer verstummen lassen. Dies kann dazu führen, dass die Anwesenden darauf warten, dass die Führungsperson ihre Meinung zuerst äußert, und sie diese dann einfach bestätigen oder sich ihr anpassen. So kommt keine Vielfalt an Sichtweisen zustande.

Wir schlagen deshalb vor, dass sich das Management bei Bedarf zu separaten Runden trifft. Zudem empfehlen wir, deutlich zwischen einer Design-Überprüfung (als Kontrollpunkt zur Abnahme oder Freigabe eines Designs) und einer Design-Kritik (als Sitzung mit dem Zweck, dem Design-Ziel durch kritisches Denken und Fragen näherzukommen) zu unterscheiden. Das Einbeziehen des Managements in die Kritikrunden kann eine gute Möglichkeit bieten, Akzeptanz aufzubauen. Sie sollten jedoch genau überlegen, wen Sie einladen, und sich der damit verbundenen Dynamik bewusst sein. Stellen Sie sicher, dass die Spielregeln allen Anwesenden klar sind, auch den Führungspersonen.

Kritik als Geschenk

Denken Sie einmal über die folgende Aussage von Ken Follet zum Thema Kritik nach: „Nun, da ich berühmt bin, ist es wirklich schwierig, Leute zu finden, die meine Werke lesen und mir dann ehrlich ihre Meinung dazu sagen.“ Selbst wenn es sich manchmal nicht danach anfühlt, ist Design-Kritik letztlich ein Geschenk, das Sie und Ihr Team enorm weiterbringen kann. Mit ein paar funktionierenden Grundregeln, der nötigen Praxis und dem richtigen Engagement kann Kritik zu einem zentralen und geschätzten Bestandteil des Design-Prozesses werden. Denken Sie immer daran: Offenheit und Team-Arbeit sind der Schlüssel.


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